Life should have a soundtrack

Heute in einem hohen einstelligen Bereich gehört:



Wiedergefunden

"Expressed in broad terms, the content of a liberal democratic conception of justice has three main elements: a list of equal basic rights and liberties, a priority for these freedoms, and an assurance that all members have adequate all-purpose means to make use of these rights and liberties." (John Rawls, Lectures on the History of Political Philosophy, p. 12)

- Sicherlich sehr Rawls-freundlich, aber eine gute Aufbaudefinition. (Nota bene: Rawls spricht nur eine Seite weiter von den "libertarians". Er will an dieser Stelle noch nicht gegen sie argumentieren, sondern nur gegen sie definieren. Ob dieser Unterschied wichtig ist: eine andere Frage)

Nachgedanke

Man könnte auch, um die krude Metapher fortzusetzen, folgendes sagen: Der Liberalismus kennt keine Transzendenz. Rousseau setzte über die Masse der Individuen, der "Vielen", den quasi-emergenten Allgemeinwillen, dessen Legitimität aus mehr zu erwachsen scheint als dem Wesen der partikularen Einzelnen. Der Liberalismus verneint all solche Sachen. Er verneint, dass es jenseits der real existierenden Individuen einen legitimierenden Korpus von Prinzipien oder (Volks-, Geschichts-, Gesellschafts-, Universal-, Gottes-) Subjekten gibt, welche diese transzendierten oder zu diesen metaphysisch primär wären.

Experimentelles Fragment

(Sehr experimentell, mit Vorsicht zu genießen, argumentativ unvollständig und schwammig)

Frage: Das Töten des demokratischen Staates oder Akteurs ist vollkommen gleich dem Töten eines diktatorischen, moralisch falschen oder verwerflichen Staates. Jede Begründung, die wir auch im Nachhinein geben mögen, kann diese Tatsache nicht abmildern. Der Liberalismus ist kein leeres, wehrloses Versprechen; er ist, auf die Spitze getrieben, eine kämpferische Doktrin mit echten Feinden. Dies heißt noch nicht viel für den liberalen Alltag. (Schmitt würde hier anderes denken.) Doch es sagt etwas über die Sprache, derer wir uns bedienen; die Sprache der Rechte, derer wir uns bedienen, gleicht der Sprache aller Gläubigen; wie jeder Glauben redet sie über nicht Existierendes, das erst ist einem festen Vertrauen wahr wird. Wir finden Rechte nirgendwo; der Glaube, dass sie kulturunabhängige Universalien seien, ist deskriptiv gesprochen nicht einmal eine gute Hypothese.
Die fehlende Letztbegründung sowohl Gottes als auch der Rechte, die wir meinen, ist eigentlich eine Drohung; sie ist die Androhung an all jene, welche den leap of faith nicht getätigt haben, "den Sprung des Glaubens", vernichtet zu werden, sollten sie sich wehren oder angreifen. Der Liberalismus kennt den Abwehrkrieg genauso wie jede andere große Weltreligion - oder sollte ihn kennen. (Die Frage nach der aktiven Verbreitung, der Mission ist eine andere.)
Wir kennen im Liberalismus wie in jeder guten Religion zwei große Konfessionen, die amerikanische und die kontinental-europäische. Die Existenz dieser verschiedenen Formen verweist uns darauf, dass die konkrete Existenz dieser Weltanschauung durch die Konkretheit der Lebensumstände geprägt ist; dass es sich bei ihnen um kein konkretes Set abstrakter Prinzipien handelt. Die Universalität der Rechte verbindet sich mit den Merkwürdigkeiten der eigenen Kultur so unmittelbar, dass man sie kulturübergreifend nur unter abstraktester Allgemeinheit verstehen kann: Ähnlich dem Gott, der in der Ökumene oder gar dem interreligiösen Dialog beschworen wird. (Letzteres wäre, rückübertragen, wohl die UN.)

Antwort: Es handelt sich hier um eine rein formale Frage; natürlich mag sich auch das liberale Denken möglicherweise auf seinen Letztanspruch zurückführen, wo es sagen werden muss: "So ist, und nicht so". Doch das Spezifische des Liberalismus ist der lange Weg dorthin, wo er sagt: "Wir wissen es nicht genau, wir tolerieren anderes". Toleranz ist hier - im Gegensatz zu den großen monotheistischen Religionen - nicht historisch erlernter Pragmatismus, sondern verankertes Prinzip. Und natürlich ist die ganze Religionsmetapher falsch. ...

Still alive

Nach langer Zeit wieder internet-aktiv. Sind die Bissigen Liberalen "neoliberaler" geworden? Habe sie immer als Bastion eines "kulturellen" (Schwurbelwort bitte hier einsetzen) Liberalismus verstanden, ganz auf der Linie dieses FAZ-Textes. Zur Diskussion hier.

W-Welle 59

Gute Eröffnungsrede auf dem 59. Parteitag. Vielfältig, und die Wirtschaftsrhetorik bleibt prozentual nicht ganz so bestimmend. Sind aber auch Zeiten, in denen FDP-Themen hochaktuell sind, insofern hielt sich die Schwierigkeit des agenda setting in Grenzen.
Witzig nur, mit welcher Grundsätzlichkeit hier bekräftigt wird, die FDP sei auf keine Koalition festgelegt.

Moderate Freiheit - Unverbundene Thesen

(1) Hayek ist falsch in der Annahme, dass sich uns eine bipolare Alternative stellt. Sein "Schiefe-Bahn-Argument" in Road to Serfdom ist dürftig. Lässt man diesen Gedankengang hinter sich, ist moderater Liberalismus, Sozial-Liberalismus, möglich.

(2) So schwierig die Abgrenzung zwischen "positiver" und "negativer" Freiheit zu machen ist: Die Kernthese des Liberalismus besteht in "negativen" Rechten. Nichtsdestotrotz halten wir es für richtig, ein Minimum an Lebensstandard jedem zu garantieren. Es geht hier um viel Rhetorik ("echte" Liberale würden sich vielleicht dem Wort "garantieren" verweigern etc.). Wir können hier verschiedene Grade denken.

(3) Es gibt verschiedene Liberalismen. Deren Unterschied besteht in der Beantwortung der Frage "Warum Freiheit? Wozu Freiheit?". Ich glaube, dass man selten Freiheit als solche schätzt, sondern meist, weil sie den Menschen bestimmte Dinge ermöglicht. Die eigentliche Frage ist also im Menschenbild, und sehr oft in der Einschätzung der Wirklichkeit. (Im Gegensatz zu allem Dogmatismus ist die Frage der Gesellschaftsform für einen Liberalen eben auch eine empirische Frage - und die Empirie scheint zugunsten der Freiheit zu sprechen.)

(4) Die unterschiedlichen Verständnisse von "Chancengleichheit" können den Unterschied zwischen Sozialliberalismus und Libertarismus ausmachen. Hier steht Hayek vs. Rawls.

(5) Libertarismus als Grundhaltung wird sehr wahrscheinlich, sobald man das Privateigentum als absolut (naturrechtlich garantiert) privat sieht. Tut man dies nicht, sind viele interessante Zwischenformen denkbar. Warum Privateigentum absolut sein soll, ist mir zumindest intuitiv schleierhaft.

(6) Der Liberalismus ist im politischen Alltag eine politische Ideologie wie jede andere, in dem Sinne, dass er Gegner hat, mit denen er sich auseinandersetzt, dass es um Macht, Einfluss etc. geht. Doch der Liberalismus will seine Feinde nie vollständig vernichten.

(7) Liberalismus als "Meta-Doktrin" ist eine perfide Strategie (Bestimmte Politikbereiche nehmen wir von vorneherein aus dem staatlichen Betätigungsfeld hinaus, über den Rest mag die Demokratie entscheiden, wie sie mag.). Unglücklicherweise muss jede liberale Partei sich dem politischen Alltag stellen, der keine Meta-Doktrin akzeptieren wird.

(8) Interessante Scheidefrage wieder: Freiheit zur Selbstverknechtung? Darf ein früheres Selbst ein späteres Selbst vertraglich binden? (Eine theoretische Frage, ob wir hier zwei Rechtssubjekte sehen, vielleicht.)

(9) Paternalismus ist falsch. Dem entgegen identifizieren wir aber sehr wohl "höhere" und "niedrigere" Lebensformen, bedienen uns einer Sprache von "Verdienst", "Ehre", "Würde"... Eine Hauptaufgabe liberalen Denkens ist es, diese Diskrepanz zu klären. Wollen wir als Liberale wirklich alles wollen können?

(10) Liberalismus ist immer eine Doktrin engagierten Bürgertums.

(11) Wie regiert der Liberalismus eine Gesellschaft von Teufeln?