Experimentelles Fragment

(Sehr experimentell, mit Vorsicht zu genießen, argumentativ unvollständig und schwammig)

Frage: Das Töten des demokratischen Staates oder Akteurs ist vollkommen gleich dem Töten eines diktatorischen, moralisch falschen oder verwerflichen Staates. Jede Begründung, die wir auch im Nachhinein geben mögen, kann diese Tatsache nicht abmildern. Der Liberalismus ist kein leeres, wehrloses Versprechen; er ist, auf die Spitze getrieben, eine kämpferische Doktrin mit echten Feinden. Dies heißt noch nicht viel für den liberalen Alltag. (Schmitt würde hier anderes denken.) Doch es sagt etwas über die Sprache, derer wir uns bedienen; die Sprache der Rechte, derer wir uns bedienen, gleicht der Sprache aller Gläubigen; wie jeder Glauben redet sie über nicht Existierendes, das erst ist einem festen Vertrauen wahr wird. Wir finden Rechte nirgendwo; der Glaube, dass sie kulturunabhängige Universalien seien, ist deskriptiv gesprochen nicht einmal eine gute Hypothese.
Die fehlende Letztbegründung sowohl Gottes als auch der Rechte, die wir meinen, ist eigentlich eine Drohung; sie ist die Androhung an all jene, welche den leap of faith nicht getätigt haben, "den Sprung des Glaubens", vernichtet zu werden, sollten sie sich wehren oder angreifen. Der Liberalismus kennt den Abwehrkrieg genauso wie jede andere große Weltreligion - oder sollte ihn kennen. (Die Frage nach der aktiven Verbreitung, der Mission ist eine andere.)
Wir kennen im Liberalismus wie in jeder guten Religion zwei große Konfessionen, die amerikanische und die kontinental-europäische. Die Existenz dieser verschiedenen Formen verweist uns darauf, dass die konkrete Existenz dieser Weltanschauung durch die Konkretheit der Lebensumstände geprägt ist; dass es sich bei ihnen um kein konkretes Set abstrakter Prinzipien handelt. Die Universalität der Rechte verbindet sich mit den Merkwürdigkeiten der eigenen Kultur so unmittelbar, dass man sie kulturübergreifend nur unter abstraktester Allgemeinheit verstehen kann: Ähnlich dem Gott, der in der Ökumene oder gar dem interreligiösen Dialog beschworen wird. (Letzteres wäre, rückübertragen, wohl die UN.)

Antwort: Es handelt sich hier um eine rein formale Frage; natürlich mag sich auch das liberale Denken möglicherweise auf seinen Letztanspruch zurückführen, wo es sagen werden muss: "So ist, und nicht so". Doch das Spezifische des Liberalismus ist der lange Weg dorthin, wo er sagt: "Wir wissen es nicht genau, wir tolerieren anderes". Toleranz ist hier - im Gegensatz zu den großen monotheistischen Religionen - nicht historisch erlernter Pragmatismus, sondern verankertes Prinzip. Und natürlich ist die ganze Religionsmetapher falsch. ...

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