Selbstbehauptung

Gut, ich versuche den Faden wieder aufzunehmen. Zitieren wir mal eine 0815-brauchbare Allgemeintheorie zur Moderne:

Mit (1) der Aufklärung/der Moderne/der Popkultur/dem Niedergang der Religionen/durch die Globalisierung/das Zusammenbrechen der Klassenstruktur/die beginnende soziale Kälte hat der Mensch (2) seine Orientierung/seine Werte/Klarheit/Verbindlichkeit verloren.
(Einige der unter 1 genannten Beobachtungen können ebenfalls Folgen oder Effekte daraus sein, sodass wir in einem Zirkel landen). Das führt zum (3) einsamen Individuum/ (gesellschaftlicher, allgemeiner) Angst/ Isolierung/ Sehnsucht nach einem Verhältnis vor 1/ Diversifizierung/ Verlust aller Illusionen. Es kann jedoch auch (4) alles eine Chance sein/ neue Werte entstehen/ es ist alles ein Irrweg. Dazu passen die allgemeinen empirischen Beobachtungen, (5) schwindende Kirchenmitglieder/ Schnelllebigkeit/ Bedeutungsverlust von Politik, -gewinn von Wirtschaft/ technologische Revolution.

Nun gut, im Zusammenbasteln von (1)-(5), unter verschiedenen Namen, Begriffen und Blickwinkeln geben sich viele Theoretiker da reichlich Mühe; es folgen auch verschiedene politische Theorien daraus, die von Djihad bis Neoliberalismus reichen.
Hinter vielen Theorien indessen denke ich, eine "golden age"-Teleologie zu entdecken, ganz im Sinne einer Deszendenztheorie im Sinne der Antike (wir Deutschen können das besonders gut).

Ich möchte nur einzelne Details anmerken, welche mögliche Theorien ergänzen oder doch umlenken.

(1) Die angeblich beobachtete Rückwendung auf konservative Werte und Glauben bei den Jugendlichen. Nope. Aus Konfirmanden- und Jugendarbeit und vielen Gesprächen will ich sagen: Das ist eine Schimäre. Selbst jene, welche heute noch in die Kirche kommen, verbinden mit Kirche eher soziale Werte als solche des Glaubens. Und zum Konservativen: Ich denke, der Liberalismus der Jungen wurde bis dato alleinig überschätzt (sehr viel weiter als der der Eltern kann er auch nie reichen) und gehörig mit dem Verlangen nach Freizügigkeit verwechselt.

(2) Selbstbehauptung als das Beharren auf "Hartem", "Einheitlichem". Wie sehr wir auch einem "golden age" nachtrauern mögen - mit all den begleitenden Theorien des Kontrollverlustes, des Übersichtsverlustes, des Werteverlustes, des Verlustes schlechthin - wir unterliegen hier einem psychischen Bedürfnis nach Selbstbehauptung durch Härte, dem Nietzsche'schen "Willen zur Macht". Geschlossenheit (wie der Islam sie uns zu zeigen scheint, obwohl er selbst eigentlich keine Geschlossenheit besitzt), Konsequenz (wie der von manchen unterbewusst bewunderte islamistische Terror), Gemeinschaft (wie von weit-links wie von weit-rechts neu adoptiert) und "Anstand" (in seinem Extrem Uniformierung) sind Symbole eben dieses "Willens zur Macht". Haben wir (= die einzelnen Individuen, der "dritte Stand", wenn ich das mal so sagen will) denn geschichtlich an Macht verloren? Keineswegs! Demokratie, Dezentralismus, Liberalismus - sind eben gerade die Formen, allen gleiche Macht (theoretisch!) zu ermöglichen.

(3) Die Globalisierung. Ja, es gibt sie, und nein, es gibt sie nicht. Ulrich Beck hat hier sehr klug über die "Glokalisierung" gesprochen (muss ich bei Bedarf noch einmal lesen). Einfach alles betrifft uns, in Form der Globalisierung. Gleichzeitig ist sie kein "abstrakter Vorgang ohne Akteure". Auch hier schwebt in der Analyse wieder das Verlangen nach Griffigkeit (Begrifflichkeit) und Homogenität der "Globalisierung" mit. Es gibt noch immer die berühmte "Abstimmung mit den Füßen". Und es gibt viele Gesellschaften, die sich kollektiv verweigern (es gibt auch eine "deutsche Globalisierung").

(4) Das Netz. Das Netz ist letzten Endes noch immer WYSIWYG - es sind einfache Menschen mit einfachen Bedürfnissen, die ein komplexes Medium einfach zu nutzen wünschen. Der einzige Vorteil ist, dass das Internet im weitesten Sinne "Medium" ist; es erfüllt die Funktionen von Text, Kunstwerk, Rundfunk und Fernsehen in einem, das ist sein rein technischer Vorteil. Einen inneren Wert würde ich ihm soweit nicht zuordnen.

(5) Bullshit. So wichtig der Hinweis auf jene ist, deren "Bezug zur Wahrheit vollkommen abhanden gekommen ist" (so in etwa Frankfurt) und die klare und beeindruckende These "dass auch der Lügner sich noch in einem Bezugssystem zur Wahrheit verhält", übersieht, dass auch Bullshit habituiert. Solange der Bullshit (medial, kulturell, politisch) linear und nicht exponentiell wächst, sehe ich kein Problem. Davon abgesehen, dass wir es hier wohl mit zyklischen Angebots-Nachfrage-Kurven zu tun haben (oder gleich den Zyklen in biologischen Biosystemen).

So, das waren meine 5-Euro-Cents. (Vielleicht lese ich die Papstrede auch noch einmal. Das dritte, vierte Mal?)

Spielzeug

Der "political compass":


25.9.2006
Economic Left/Right: -2.13
Social Libertarian/Authoritarian: -6.41

7.5.2004:
Economic Left/Right: -2.50
Social Libertarian/Authoritarian: -6.77

26.12.2003:
Economic Left/Right: -2.12
Social Libertarian/Authoritarian: -6.87

23.8.2003
Economic Left/Right: -2.62
Libertarian/Authoritarian: -7.18

Martialisch


(Point Alpha. Nein, ich kann mit Militär eigentlich nichts anfangen)

Reden, als wenn niemand ...

Wieder eine gute (wenn auch etwas aggressivere) Diskussion bei den Bissigen Liberalen über erhöhte Top-Management-Gehälter. Ich kopiere ein wenig aus meinem Diskussionsbeitrag (um es mir nicht später aus den Weiten des Netzes wieder zusammensuchen zu müssen),

Ich persönlich glaube auch, dass ab einem bestimmten Arm-Reich-Verhältnis (ich bin da großzügig; sagen wir mal 10.000 statt 10) das gesellschaftliche Verhältnis paradox wird (von meiner Erziehung her würde ich auch sagen: "unmoralisch"). Trotzdem denke ich, dass dies notwendig ist und eine Beschneidung nicht möglich (oder nur mit Wohlstandsverlusten für die Allgemeinheit) - aus rein pragmatischen Gründen, wohlwissend, dass es sich hier um "Ämter" oder "Positionen" in einer Gesellschaft handelt, nicht um Menschen. Das hilft mir jedenfalls auf dem Weg, hohe Managergehälter etwas besser zu akzeptieren (als potentiell Linken).
Kritisieren darf man das natürlich, (...) (Ein schwieriges Thema, keine abschließende Meinung)


Die letzte Frage bleibt: Darf man das? Wenn ja, warum? Wie weit geht das "Einmischungsrecht"? Sammlung von stereotypen Argumenten: Jeder darf eine Meinung haben, jeder darf eine moralische Meinung haben, sozialer Zwang ist wünschenswert (!?), es gibt ungeschriebene Normen, in einer Volkswirtschaft hängen alle Glieder zusammen, etc. Alles Meinungen, die man vertreten kann. Wirklich überzeugend finde ich (noch?) nichts davon.

Sehnsucht nach Selbstbehauptung


Jenseits der Grenze schießen sie schon, mit Gewehren und bei denen - das schwöre Gott - sind Gewehre nicht bloß Metaphern. Hier läuft alles banal, man will sagen: ohne großes Aufersehen. Dieser tut dies, jener jenes. Wir machen den Unterschied zwischen "hier" und "dort" aus lauter Gewohnheit. Ich könnte du sein, die Reichen sind keine echten Reichen mehr. Mutig werden Hypothesen aufgestellt, mutig sie gleich widerlegt, und das ist nur anmutiges Ballett, Kunstform, überhaupt ist der einfache Mann nur noch eine Metapher, die es "in echt" (auch das können wir nur sagen) gar nicht mehr gibt. Drüben werfen sie Bomben, sie wissen sogar, auf wen sie zu werfen haben, denn immer haben sie ein Ziel, sie sind noch nicht so weit, dass sie sich selbst umbringen (was für eine Erfindung). Die Gewehre sind aus Stahl. Wir liefern ihn, denn irgendwie müssen wir den Krieg von uns halten und sei es, wir liefern ihn. Lieferzeiten müssen eingehalten werden. Unser Leben ist nicht ganz langweilig. Wir können viel wählen und und im Allgemeinen werden wir von der Masse an Dingen so überrascht, dass wir uns fragen, ob es das Ding ohne Masse gibt. Aber sicher. Hundert Dinge finden wir ohne Masse. Das aber sind Fragen, die gegen den Wind angehen, und gegen den ruft man bekanntermaßen schlecht an. Ich habe ein Telephon und kann anrufen, die Nummern und die Sicherheit sind mir gegeben. In unserem Nachbarland herrscht Krieg. Diesem Wort sind sie noch ganz verfallen, "Krieg" lässt noch ihre Augen funkeln. Sie wissen tatsächlich nicht, wofür sie kämpfen, fragt man sie, haben sie Wörter, die aber nur Namen sind. In den Schützengräben vermag das keiner zu sagen. Wir wissen auch nicht, wofür wir kämpfen. Unsere Waffen sind schließlich andere. Immerhin verspüren wir ja auch keinen Hass mehr, oder wenigstens haben wir ihn verlagert, in günstigere Regionen. Wir sind auskratzbar, nur eine leichte Oberfläche des Seins, wir spüren keine Schmerzen mehr. (2002/3?)


Ein merkwürdiger Text, sehr ungeordnet. Im "wir" schwebt etwas latent Kommunistisches (!), Pathetisches, Herrisches mit, das mir den Text sehr verdirbt. Welche überzeichnete Kulturgrenze (sie - wir) hier gezeigt wird, bleibt mir schleierhaft - die Anderen sind wohl nur eine psychologische Metapher ("Metapher" ist auch ein Wort des Textes), eine Tautologie (die Anderen sind anders). Ich lese sehr viel Antimodernismus und allgemeinen ("allgemein" ist auch ein Wort des Textes, genauso wie "immer") Oppositionismus aus dem Text. Vielleicht schwingt ein wenig Adorno mit (vermassendes Denken etc.) Nun, aus rein dokumentarischen Gründen finde ich den Text sehr interessant, zeigt er doch eine unterdrückte Kriegsbegeisterung für offene Konfrontationen, die sehr männliche Neigung, sich in der Selbstbehauptung zu beweisen. "Sich behaupten" bildet dann auch wohl das Motto dieses Textes, das im Gegensatz zum weicheren (empfundenen) "ohne Aufersehen in großer Gesellschaft" leben verstanden wird. Angst vor Mangel an Individualität spielt auch wohl eine Rolle. Den gesamten Text habe ich übrigens wiederentdeckt, als ich diesen Aphorismus gelesen habe, denn sonst besitze ich wenig Vorliebe für Selbstquälerei mit alten Texten.

39

Aus genau 39 Schritten bestehen jetzt meine Joomla-Installationsnotizen. So gut die Software auch ist, Open Source hat den nervigen Nachteil, sich alle Komponenten nicht nur selbst suchen zu dürfen, sondern zu müssen. Und dann die Sachen selbst an die Homepage anpassen. Das ähnelt sehr dem "Wir reparieren uns um die Welt".

Und der nette Hinweis "bitte immer erst die Suchen-Funktion" benutzen, bedeutet in vielen Foren Stunden Gesuche. Ich erkenne: Die wirkliche Eintrittsschwelle in das Web (für eine technische gediegene, einigermaßen solide Homepage) liegt eigentlich immer noch recht hoch. Das Internet ist immer noch nerdig, zeitaufwendig und primär technisch. Eigentlich ganz schön, wenn man schon gedanklich "2.0." hinter alles hängt.

Sprachversagen

"Überlebende der Todesfahrt"
"2020 wird diese Minderheit 60% ausmachen"

?

Verstehe ich nicht. Niemand weiß, was Blogs sind. Trotzdem hat jeder eine Meinung. Eine Scheindiskussion von allen Seiten.

Linien


Fehlfarben, im Hintergrund ein Fliegengitter. (Canon EOS 350d)

Statements


(Muss nochmal nachschauen, wie genau die heißt)

Katharsis



Werde ich irgendwann mal noch zu einem Hintergrund umarbeiten. (Canon EOS 350d)

Öffentlich-rechtliche Öffentlichkeit

Die GEZ ist mal wieder in aller Munde, und die FDP fordert allen voran eine Entlastung.

Hans-Joachim Otto (FDP) forderte schon vor 10 Tagen in der BZ (hier bei SpOn) eine Abschaffung und eine Koppelung an "erbrachte Dienste". So richtig dieses Argument ist, so schleierhaft bleibt mir, wie dies geschehen soll. Klingt eher nach Bürokratiemonster. (Otto scheint auch der Vorsitzende der FDP-Kommission für Internet und Medien zu sein, wenn ich richtig gegoogelt habe).

Die JuLis Bremen admonieren die doppelte Wahlberichtserstattung und setzen sich gegen Handy- und Computer-GEZ ein (!PDF-Dokument: hier).
Einig sein kann man sich, dass Handy- und Computer-GEZ wirklichkeitsferne Ideen sind.
Die doppelte Berichterstattung stört mich allgemein. Das ist eine unheimliche Kostenverschwendung, vor allem, wenn beide Sender zu gleichen Ereignissen eigene Kamerateams beschäftigen. Auch die Dritten sollten gehörig abgeschlankt werden. Zum einen besitzen sie sowieso schon einen austauschbaren Grundsatz gleicher Programme, zudem sind einige Sender unerträglich, wie der MDR.

Huch, es gibt ja sogar ein GEZ Blog. Hier ist noch eine Pressemeldung von fdp.de, "Strafsteuer für Unternehmen" sei die GEZ.

Kurz gesagt: Eine unumwendene, vollständige Abschaffung der Öffentlich-Rechtlichen fordert niemand so ganz - dabei muss man vielleicht einmal mit dem Gedankenexperiment anfangen, hier alles bis auf ARD, ZDF und zwei oder drei Spartekanäle (z.B. 3Sat) abzuschlanken - und dazu den ganzen Radiobereich privatisieren, der für mich genauso schrecklich ist wie die Privaten. Es ist nicht per se schlecht, wenn der Staat viel macht im medialen Bereich; es ist schlecht, wenn er das, was er macht, schlecht macht, und das macht er. Man schaue eine Stunde MDR. Oder das Vormittagsprogramm. Oder etwa BR während des Papstbesuches. Oder höre 15 Minuten öffentliches Radio.

Linien



Takelage eines Einmasters, von unten

Nachtrag:Hmmm, sehe gerade, dass ich mein Objektiv mal wieder reinigen sollte

Annäherung



Wilder Wein (links) benutzt einen Feuerdornstrauch (rechts) als Rankgerüst (Canon EOS 350d)

Raindrops



(Canon EOS 350d)
(Linear nachbelichtet nach den RAW-Daten, deshalb die unrealistischen Farben)

Virtuelle Dritte

Alles, was man in den Wörtern schreibt, bleibt im Kosmos doch geräuschlos. In der Geschichte ist das menschliche Wort nicht einmal ein leises Wispern. Man malt die Buchstaben hin, angestrengt, mit ganzem Ernst, aber eigentlich bezweckte Unernst das Gleiche. Es ist fast ein Vergehen, sich einen Dritten vorzustellen, der teilnimmt, liest, was du schreibst. Und wenn, bist du seine Zeit wert?

Eine Zusammenschau von Reaktionen auf die Papstrede

Ein ZEITBlogger aus Kairo: Muslimische Reaktion auf die Demonstrationen gegen die Papst-Zitate (17.9.)

Njus sieht einen neuen Aspekt: Papst beleidigt Analphabeten! (17.9.)

ix entdeckt, dass SpOn keine außergewöhnlich neutrales Medium ist (16.9.)

Bei den bissigen Liberalen gibt es den Link auf die Rede und eine sehr gute Diskussion (an der ich mich auch beteiligt habe) (14.9.)
Noch ein kluger Beitrag bei Finger.zeig.net und ein längerer hier - beide über Trackbacks bei oben genannten gefunden.

Ein Kommentar von Clemens Wergin auf Tagesspiegel online (16.9.)