Studium

Der Beginn meines Studiums hat mich umgeworfen, in vielerlei Hinsicht. Schon das leise, anfängliche Fallen eines Scheines von Wissenschaftlichkeit macht mich begierig, mehr zu wissen, und demütig, zu reden. So viele Menschen in wenigen Tagen kennenzulernen, übersteigt wohl jedermanns seelische Energie: ihn allen gerecht zu werden (ist das Liebe?) bleibt die unmögliche Aufgabe. Gleichzeitig kommen sie von überall; man wünschte sich ein Substrat des Wissens, glaubt, dass sich diese Expertenköpfe bloß zusammensetzen zu brauchten, und die Welt wäre um mindestens einige Schritte weiter.

Gleichzeitig zeigt mir die Freiheit des Studierens: Diese Freiheit wird mehr gebraucht, auch in der Schule. Das ist es, was ich mir immer gewünscht, ersehnt habe! Anwesenheitspflicht, Methodenzwang, "Wir richten uns nach dem Schwächsten" anstatt Leistungsprinzip (kann auch heißen: "Wir richten uns nach dem Median"!) ... Bis jetzt empfinde ich das universitäre Leben nicht als belastend oder anonym vermasst, sondern als für Denken und Handeln befreiend. 12 Jahre Schulpflicht sind dann wohl doch der richtige Weg, einfach weil es heißt: Weniger fürchterliche Instanz Schule. Profiloberstufe und Zentralabitur sind dagegen nichts als neue Fesseln.

Eine interessante Debatte über Pazifismus vs. Realpolitik (bzw. gesamtgesellschaftlichen Zwang vs. individuelle Moral) geführt und den ersten Teil von "the corporation" gesehen. Aber das aufzunehmen und zu verarbeiten - dazu hat es lange nicht mehr gereicht.

Liebe

Heißt "links" sein im Kern nicht, seinen Mitmenschen zu lieben?

Welt in Makro


(Nein, ich habe eigentlich kein Makroobjektiv, ist nur ein vergrößertes Photo.)

Zwei Wochen ohne Fernsehen

Und es fühlt sich gut an. Als wenn viel abfließt.
Weniger passiv. Die Wahrnehmungen werden wieder genauer, als wenn sie sich an etwas fremden üben.
Die Erfahrung geht weiter, mal schauen.

Katzencontent

Ach ne, doch nur ne langzeitbelichtete Schnecke. Gerade eben fotografiert.

Einsamkeit kultivieren

Kann man Einsamkeit kultivieren? Und wenn ja, wie? Und jene, welche über Einsamkeit schreiben: Erahnen sie nicht schon jenen Dritten, auf den sie all ihre Sorgen und Nöte werfen, mit dem in Gemeinschaft zu treten sie wünschen?

Einsamkeit ist mehr. Sie ist immer mehr. Einsamkeit ist jene Tragik, welche zu Teilen der Welt zugrunde liegt, und sie trägt, mitträgt, wir sind einsam in jedem Moment. Das ist pathetisch, aber wer mag angesichts jener Gefühle nicht ... nun ja, Mensch werden? (schon wieder Pathos). Angst habe ich mittlerweile nur vor jenen, denen ich nicht zutraue, Angst zu haben, Einsamkeit zu verspüren.

Selbstbehauptung

Gut, ich versuche den Faden wieder aufzunehmen. Zitieren wir mal eine 0815-brauchbare Allgemeintheorie zur Moderne:

Mit (1) der Aufklärung/der Moderne/der Popkultur/dem Niedergang der Religionen/durch die Globalisierung/das Zusammenbrechen der Klassenstruktur/die beginnende soziale Kälte hat der Mensch (2) seine Orientierung/seine Werte/Klarheit/Verbindlichkeit verloren.
(Einige der unter 1 genannten Beobachtungen können ebenfalls Folgen oder Effekte daraus sein, sodass wir in einem Zirkel landen). Das führt zum (3) einsamen Individuum/ (gesellschaftlicher, allgemeiner) Angst/ Isolierung/ Sehnsucht nach einem Verhältnis vor 1/ Diversifizierung/ Verlust aller Illusionen. Es kann jedoch auch (4) alles eine Chance sein/ neue Werte entstehen/ es ist alles ein Irrweg. Dazu passen die allgemeinen empirischen Beobachtungen, (5) schwindende Kirchenmitglieder/ Schnelllebigkeit/ Bedeutungsverlust von Politik, -gewinn von Wirtschaft/ technologische Revolution.

Nun gut, im Zusammenbasteln von (1)-(5), unter verschiedenen Namen, Begriffen und Blickwinkeln geben sich viele Theoretiker da reichlich Mühe; es folgen auch verschiedene politische Theorien daraus, die von Djihad bis Neoliberalismus reichen.
Hinter vielen Theorien indessen denke ich, eine "golden age"-Teleologie zu entdecken, ganz im Sinne einer Deszendenztheorie im Sinne der Antike (wir Deutschen können das besonders gut).

Ich möchte nur einzelne Details anmerken, welche mögliche Theorien ergänzen oder doch umlenken.

(1) Die angeblich beobachtete Rückwendung auf konservative Werte und Glauben bei den Jugendlichen. Nope. Aus Konfirmanden- und Jugendarbeit und vielen Gesprächen will ich sagen: Das ist eine Schimäre. Selbst jene, welche heute noch in die Kirche kommen, verbinden mit Kirche eher soziale Werte als solche des Glaubens. Und zum Konservativen: Ich denke, der Liberalismus der Jungen wurde bis dato alleinig überschätzt (sehr viel weiter als der der Eltern kann er auch nie reichen) und gehörig mit dem Verlangen nach Freizügigkeit verwechselt.

(2) Selbstbehauptung als das Beharren auf "Hartem", "Einheitlichem". Wie sehr wir auch einem "golden age" nachtrauern mögen - mit all den begleitenden Theorien des Kontrollverlustes, des Übersichtsverlustes, des Werteverlustes, des Verlustes schlechthin - wir unterliegen hier einem psychischen Bedürfnis nach Selbstbehauptung durch Härte, dem Nietzsche'schen "Willen zur Macht". Geschlossenheit (wie der Islam sie uns zu zeigen scheint, obwohl er selbst eigentlich keine Geschlossenheit besitzt), Konsequenz (wie der von manchen unterbewusst bewunderte islamistische Terror), Gemeinschaft (wie von weit-links wie von weit-rechts neu adoptiert) und "Anstand" (in seinem Extrem Uniformierung) sind Symbole eben dieses "Willens zur Macht". Haben wir (= die einzelnen Individuen, der "dritte Stand", wenn ich das mal so sagen will) denn geschichtlich an Macht verloren? Keineswegs! Demokratie, Dezentralismus, Liberalismus - sind eben gerade die Formen, allen gleiche Macht (theoretisch!) zu ermöglichen.

(3) Die Globalisierung. Ja, es gibt sie, und nein, es gibt sie nicht. Ulrich Beck hat hier sehr klug über die "Glokalisierung" gesprochen (muss ich bei Bedarf noch einmal lesen). Einfach alles betrifft uns, in Form der Globalisierung. Gleichzeitig ist sie kein "abstrakter Vorgang ohne Akteure". Auch hier schwebt in der Analyse wieder das Verlangen nach Griffigkeit (Begrifflichkeit) und Homogenität der "Globalisierung" mit. Es gibt noch immer die berühmte "Abstimmung mit den Füßen". Und es gibt viele Gesellschaften, die sich kollektiv verweigern (es gibt auch eine "deutsche Globalisierung").

(4) Das Netz. Das Netz ist letzten Endes noch immer WYSIWYG - es sind einfache Menschen mit einfachen Bedürfnissen, die ein komplexes Medium einfach zu nutzen wünschen. Der einzige Vorteil ist, dass das Internet im weitesten Sinne "Medium" ist; es erfüllt die Funktionen von Text, Kunstwerk, Rundfunk und Fernsehen in einem, das ist sein rein technischer Vorteil. Einen inneren Wert würde ich ihm soweit nicht zuordnen.

(5) Bullshit. So wichtig der Hinweis auf jene ist, deren "Bezug zur Wahrheit vollkommen abhanden gekommen ist" (so in etwa Frankfurt) und die klare und beeindruckende These "dass auch der Lügner sich noch in einem Bezugssystem zur Wahrheit verhält", übersieht, dass auch Bullshit habituiert. Solange der Bullshit (medial, kulturell, politisch) linear und nicht exponentiell wächst, sehe ich kein Problem. Davon abgesehen, dass wir es hier wohl mit zyklischen Angebots-Nachfrage-Kurven zu tun haben (oder gleich den Zyklen in biologischen Biosystemen).

So, das waren meine 5-Euro-Cents. (Vielleicht lese ich die Papstrede auch noch einmal. Das dritte, vierte Mal?)